Ein Architekt für Bozen
Über Marcello Piacentini und seine Projekte

Innerhalb weniger Jahre hat er das Aussehen von Bozen geprägt wie kaum ein anderer. Die Rede ist vom römischen Architekten Marcello Piacentini, der in den 1930er Jahren in der Landeshauptstadt seine Vision einer „Bolzano italiana“ verwirklicht hat. Diesem seinem Projekt widmet sich das Buch „Marcello Piacentini a Bolzano“ von Aaron Ceolan (*1987, Bozen).
Das Buch ist die überarbeitete Version deiner Magisterarbeit, mit der du das Studium der Kunstgeschichte in Siena abgeschlossen hast. Was genau hast du ergänzt?
Ich habe die Arbeit 2014 eingereicht, also vor über 10 Jahren, und in dieser Zeit ist vieles passiert. Konkret meine ich damit die Veränderungen am Siegesplatz und am Gerichtsplatz. Die Eröffnung des Ausstellungsparcours unter dem Siegesdenkmal und der neue Schriftzug über dem Relief von Hans Piffrader sind zentrale Momente, um zu verstehen, wie Piacentini die Stadt auf lange Sicht geprägt hat.
Wie bist du auf Marcello Piacentini aufmerksam geworden?
An der Uni habe ich eine Vorlesung zur Architektur in totalitären Regimen besucht und da habe ich mich das erste Mal mit ihm auseinandergesetzt. Ich habe damals verstanden, dass ich aus einer Stadt komme, die in dieser Hinsicht viel zu erzählen hat. Während meiner Oberschulzeit bin ich täglich am Siegesplatz vorbeigefahren, aber die Bedeutung dieses Ortes war mir damals nicht bewusst. Marcello Piacentini hat das Aussehen vieler italienischer Städte verwandelt und Bozen ist in dieser Hinsicht ein bedeutendes Beispiel.
Marcello Piacentinis Name ist eng verbunden mit dem Faschismus…
Meiner Meinung nach war er in dieser Hinsicht ein Opportunist. Als Architekt hat er den Zeitgeist jener Jahre erkannt und sich dementsprechend verhalten. Er war kein Rationalist, sondern er verehrte die römische Antike, er liebte imposante Säulen und weite Plätze. Und das hat er an die Anforderungen des Faschismus angepasst, denn sonst hätte er keine Aufträge mehr bekommen. Und es gab damals kaum ein Bauprojekt, das nicht über seinen Schreibtisch gegangen ist. Er war eindeutig der mächtigste Architekt unter Mussolini, obwohl sie sich menschlich nicht unbedingt mochten.
Bozen ist eine kleine Stadt. Warum hat das Regime seinen bedeutendsten Architekten hierher entsandt?
Die Stadt Bozen hatte damals eine strategische Bedeutung, denn sie war die wichtigste „neue“ Stadt in Norditalien. Der große Unterschied zu anderen Städten ist, dass man hier nicht in die bereits bestehende Substanz eingegriffen hat, sondern dass eine komplett neue Stadt entstanden ist: das „italienische Bozen“ rund um das Siegesdenkmal. Und der Gegensatz zum historischen Zentrum ist immer noch evident. Das ist zum einen Ausdruck der faschistischen Italianisierungspolitik, aber auf der anderen Seite war die Stadt auch ein Experimentierfeld, das es so nirgendwo sonst gab.
Welches Gebäude steht für dich stellvertretend für Marcello Piacentinis Stil?
Zweifelsohne der sogenannte Corpo d’Armata auf dem 4.-November-Platz, weil man eindeutig erkennen kann, dass er sich hier an der klassischen Antike und nicht am Rationalismus orientiert. Auch wurde es oft mit Bauwerken aus der Zeit der Renaissance verglichen, zum Beispiel mit dem Palazzo Ducale in Urbino, dessen Fassade auch von zwei monumentalen Türmen eingerahmt wird. In Bozen ist das, glaube ich, das Paradebeispiel für seine Architektur.
[Adina Guarnieri]
TERMIN
Buchvorstellung mit dem Autor am 9. September 2025 im Centro Trevi in Bozen, 17:30 Uhr
















































































































































































