Mehr als nur Gaismair
Hinter den Kulissen der Gaismair-Gesellschaft

2025 ist für die Michael-Gaismair-Gesellschaft besonders: zum einen begeht man das 500-jährige Jubiläum der Bauernkriege von 1525, die den Namen Gaismairs unauslöschlich in die Geschichtsbücher eingeschrieben haben. Zum anderen feiert der Verein seinen 40. Geburtstag und seit einigen Monaten hat er auch einen neuen Vorsitzenden.

Historischer Wechsel
Die Gaismair-Gesellschaft wurde 1985 gegründet. Es waren aufregende Jahre, denn zum ersten Mal warf eine junge Generation engagierter Historikerinnen und Historiker einen kritischen Blick auf die Vergangenheit des Landes. Besonders Leopold Steurer, Martha Verdorfer, Günther Pallaver und Hans Heiss stechen hervor, alle drei Gründungsmitglieder des Vereins. Tabuthemen wie das Trauma der Option oder die Kollaboration der lokalen Bevölkerung während des Nationalsozialismus wurden erstmals aufgearbeitet. Vereinsvorsitzender war damals der Politologe Günther Pallaver – und er war es bis Februar 2025, als der Historiker Josef Prackwieser zum neuen Vorsitzenden gewählt wurde. Er ist am Center for Autonomy Experience der EURAC tätig und hat ereignisreiche Monate hinter sich: „Es ist eine spannende Erfahrung, im Jubiläumsjahr zum neuen Vorsitzenden ernannt zu werden. Vieles ist passiert und einiges steht noch aus, von Tagungen über Podiumsdiskussionen bis hin zu Podcasts. Ich freue mich aber auch auf das, was in den nächsten Jahren kommen wird, wo man sich abseits des Jubiläums mehr jenen Idealen widmen kann, die den Verein antreiben.“

Die Stimme der „gemeinen Leute“
Man könnte meinen, die Gaismair-Gesellschaft befasse sich hauptsächlich mit der historischen Figur von Michael Gaismair zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Das stimmt allerdings nur zum Teil; primäres Ziel ist die Förderung sowie die Verbreitung von Erkenntnissen aus den Bereichen Geschichte, Soziales, Politik und Kultur, die den Blick für Südtirol und seine Gesellschaft, deren Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft schärfen. Der Verein befasst sich auch mit Wahlforschung und mit dem Phänomen des Rechtsextremismus. Gaismair gilt oft als Gegenentwurf zum patriotisch aufgeladenen Mythos von Andreas Hofer, weshalb seine Ideen erst in den 1970ern „wiederentdeckt“ wurden. Soziale Gerechtigkeit, z.B. über den Abbau von Adelsprivilegien oder die Gleichheit aller Menschen vor Gericht, war Gaismair wichtig. Und diese Ideale sind durchaus zeitlos. „Es geht uns auch um die Idee eines ‚anderen‘ Tirols, nicht das obrigkeitstreue, duckmäuserische. Ein Tirol, das sich für Minderheiten einsetzt, nicht nur für ethnische, sondern auch für soziale Minderheiten, für die Menschen am Rande und für die ‚gemeinen Leute‘, wie es bei Gaismair hieß.“

In Erinnerung an Claus Gatterer
Ein wichtiger Moment im Vereinsjahr ist die Vergabe des Journalistenpreises in Erinnerung an Claus Gatterer, dem Sextener Journalisten, der oft als „Vater“ der modernen Südtiroler Geschichtsschreibung bezeichnet wird. Träger sind die Gaismair-Gesellschaft und der österreichische Presseclub „Concordia“, das Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro stiftet die Südtiroler Landesregierung. Unterstützung kommt auch von der Gemeinde Sexten. Ausgezeichnet werden österreichische und Südtiroler Journalistinnen und Journalisten sowie Redaktionen, ob nun Print, Radio, Fernsehen oder Online, die mutig und kritisch ihrer Arbeit nachgehen. „Der Preis“, so Prackwieser, „erfolgt für journalistische Leistungen, die sich im Sinne der journalistischen Arbeit Gatterers durch kritisches Hinterfragen, soziales Engagement und hohes stilistisches Niveau auszeichnen.” Die Preisträgerin von 2025 ist Julia Herrnböck, die in ihrer Recherche strukturelle Missstände im österreichischen Pflegesystem offenlegt. Vor ihr haben den Preis u.a. Barbara Bachmann, Daniela Prugger oder Christoph Franceschini erhalten. Schülerinnen und Schüler können hingegen am CLAUS-Schülerpreis teilnehmen.

[Adina Guarnieri]