Verkaufte Zukunft – oder neue Chance?
Am 14. November Diskussionsabend zur Klimakrise mit Jens Beckert

Am 14. November lädt Eurac Research Bozen zu einem Diskussionsabend mit dem Kölner Soziologen und Bestseller-Autor Jens Beckert ein. Unter dem Titel „Future lost? Warum der Kampf gegen den Klimawandel zu scheitern droht“ spricht Beckert über die zentralen Thesen seines Buches „Verkaufte Zukunft“ – eine Analyse, warum unsere Gesellschaft trotz Wissen und Warnungen beim Klimaschutz zögert.
Im Vorfeld der Veranstaltung haben wir mit dem Organisator des Abends Christoph Kircher - Soziologe und Senior Researcher bei Eurac Research - über gesellschaftliche Blockaden, Hoffnung und neue Wege gesprochen.
Herr Kircher, Beckert schreibt, dass wir unsere Zukunft „verkaufen“. Warum fällt es modernen Gesellschaften so schwer, entschlossen auf die Klimakrise zu reagieren?
Über Jahrzehnte konnten moderne Gesellschaften Konflikte durch wachsenden Wohlstand abfedern. Dieses Fortschrittsversprechen beruhte jedoch auf einem fossilen Wirtschaftsmodell, das Ausbeutung und Umweltbelastung in Kauf nimmt. Lange ließ sich das verdrängen, weil viele Folgen in andere Regionen ausgelagert wurden. Heute aber kehrt die Natur als Akteurin zurück – mit Hitzewellen, Überschwemmungen und Dürren. Das stellt unsere Vorstellungen von Wachstum und Wohlstand infrage und verlangt mehr als technische Lösungen: eine neue Bewertung unserer Lebensweise und sozialen Institutionen.
Viele wissen was getan werden müsste, aber Alltag, Konsum und wirtschaftliche Interessen scheinen stärker zu sein...
Das Problem liegt nicht im fehlenden Wissen, sondern in den Strukturen, die unser Handeln bestimmen – in Politik, Wirtschaft und Alltag. Klimaschädliches Verhalten wird oft belohnt, klimafreundliches dagegen bestraft. Billigfleisch kostet weniger als Bio-Produkte, Fliegen weniger als Zugfahren, Fast Fashion weniger als faire Kleidung. Auch politisch überwiegen kurzfristige Vorteile: Es ist bequemer, bestehende Arbeitsplätze oder Profite zu sichern, als langfristige Veränderungen anzustoßen. So wird die Transformation immer wieder verschoben und unsere Zukunft gegen Gegenwartsinteressen eingetauscht.
Die Klimakrise konkurriert derzeit mit vielen anderen globalen Krisen. Wie kann Klimapolitik in dieser Situation wirksam bleiben?
Die Klimakrise darf nicht gegen andere Krisen ausgespielt werden. Entscheidend ist, Lösungen zu verbinden – etwa Klimaziele mit sozialer Gerechtigkeit, guter Infrastruktur und demokratischer Teilhabe. Wenn Klimapolitik den Alltag verbessert, durch besseren Nahverkehr oder leistbares Wohnen, wird sie nicht als Belastung empfunden, sondern als Chance. Nur eine Politik, die ökologische, soziale und demokratische Ziele gemeinsam denkt, kann langfristig überzeugen.
Wie lässt sich die Unterstützung für Klimaschutz stärken – auch wenn das Lebensstiländerungen verlangt?
Viele Menschen wollen nachhaltig leben, doch unsere Strukturen erschweren es. Ein Beispiel ist die Mobilität: Städte sind auf Autos ausgerichtet, Arbeitswege ohne eigenes Fahrzeug schwer zu bewältigen, öffentlicher Verkehr oft unattraktiv. Wer klimafreundlich handeln will, stößt schnell an Grenzen. Aber: Strukturen lassen sich ändern. Wenn Infrastruktur, Stadtplanung und Preise nachhaltiges Verhalten erleichtern, wird Klimaschutz selbstverständlich und nicht zur moralischen Pflicht.
Warum spielen lokale Initiativen dabei eine so wichtige Rolle?
Gesellschaftlicher Wandel beginnt dort, wo Menschen ihren Alltag gestalten. Klimapolitik bleibt abstrakt, wenn sie nur von oben kommt. Lokale Initiativen machen Veränderung erlebbar – sie zeigen, dass Nachhaltigkeit Lebensqualität und Gemeinschaft stärken kann. Zugleich schaffen sie Vertrauen, vermitteln Wissen und verbinden unterschiedliche Gruppen. Das ist gerade in Zeiten politischer Polarisierung zentral. Lokale Initiativen können die großen Ziele der Klimapolitik in praktische Realität übersetzen. Sie sind das Labor, in dem gesellschaftliche Zukunft konkret wird.
Viele Menschen reagieren auf die Klimakrise mit Resignation. Was kann helfen, Zuversicht und Handlungsbereitschaft zu fördern?
Resignation ist verständlich: Die Klimakrise wirkt oft zu groß und komplex. Zuversicht entsteht, wenn Menschen erleben, dass ihr Handeln Wirkung hat. Wo Klimapolitik im Alltag sichtbar wird – in Nachbarschaftsprojekten oder konkreten Verbesserungen – wächst das Gefühl von Selbstwirksamkeit. Wenn gemeinsames Engagement spürbare Veränderungen bewirkt, wird Handeln nicht zur Pflicht, sondern zur Möglichkeit, Zukunft aktiv mitzugestalten.
[Fabian Daum]
Was: „Future lost? Warum der Kampf gegen den Klimawandel zu scheitern droht“
Wer: mit Jens Beckert
Wann: Fr, 14.11., 18:00–19:30 Uhr
Wo: Seminarraum 1, Eurac Research, Bozen
Anmeldung und Infos: www.eurac.edu
















































































































































































