Das innerste Bauchgefühl
Die aufstrebende Künstlerin Anna Anvidalfarei

Sie hat vor kurzem den Förderpreis der Raiffeisen Landesbank erhalten und im Kunstforum Unterland in Neumarkt ihre erste Einzelausstellung auf Südtiroler Boden bestritten. Die Rede ist von Anna Anvidalfarei, Jahrgang 1996, ihres Zeichens Künstlerin. Höchste Zeit, uns näher mit ihr zu befassen.
Preisgekrönt
Seit 2011 verfügt die Raiffeisen Landesbank Bozen über eine eigene Kunstsammlung. Damit will sie die Entwicklung von Nord-, Süd- und Osttiroler Kunstschaffenden begleiten, sie sichtbar machen und für die Zukunft dokumentieren. Über 200 Kunstwerke umfasst die Sammlung inzwischen, Tendenz steigend, denn jedes Jahr kommen neue Arbeiten hinzu. Seit 2012 wird auch ein eigener Förderpreis vergeben. Eine der Preisträgerinnen ist Anna Anvidalfarei, die im Oktober ihr Werk „Der große Bauch - Die verzählte Natur des Bauches“ in einer Ausstellung in den SKB Artes in Bozen vorgestellt hat. Es handelt sich um eine große Wandarbeit aus Holz, Stoff und Wachs. Inmitten eines Bauches ist ein Loch zu sehen, in dem ein kleinerer Bauch zum Vorschein kommt. „Ich verspüre das Bedürfnis“, sagt Anna Anvidalfarei, „den Körper und seinen physiologischen Umfang zu verstehen, um daraus Bilder zu schaffen, die eine symbolische und metaphorische Vorstellung von einem Zustand vermitteln. Für mich ist ein grundlegendes Hineinschauen in sich selbst von Bedeutung.“ Die Körpermitte wird zum Schauplatz, die Künstlerin sucht nach den verborgenen Windungen und Regungen. Ein eigentlich verschlossener Raum, der uns trägt und zugleich von uns getragen wird.
Körperlichkeiten
Der Körper beherrscht das künstlerische Schaffen von Anna Anvidalfarei. Hände, Ohren, Bäuche – sie bezeichnet sie als „selbstgenügsame Orte des Sinns“, die als eigenständige Bedeutungsträger funktionieren. Ihr Oeuvre umfasst Hände aus Stoff, die sie in Wachs taucht und ihnen dadurch eine menschliche Oberflächenwirkung verleiht, dennoch fühlen sie sich kalt und unnatürlich an. Sie sind das Ergebnis einer intensiven Beobachtung ihres eigenen Tuns.
Die Finger, die dem Gehirn „vorausarbeiten“, die instinktiv Bewegungen vollbringen, als würden sie losgelöst von unserem Willen ihre eigenen Ziele verfolgen. Einem Händepaar stülpt sie spitze Papierkegel über die Finger, die sie gegeneinander zücken: eine Metapher für das Sticheln und das sich selbst anstacheln. „Körperlichkeit spielt in meinen Arbeiten eine zentrale Rolle“, meint die Künstlerin, „durch meine Werke analysiere ich verschiedene Zustände, oft unruhige Zustände, die durch den Körper, durch die Organe verursacht werden.“
Ganz Ohr sein
Eine Fotoarbeit zeigt ein fast naturgetreues Ohr aus Stoff und Wachs, das auf einem Foto liegt. Das Bild zeigt ein traditionelles, altes Gebäude. Es handelt sich um das zuhause der Künstlerin: Ciaminades im Gadertal. Es ist die Kindheit, die Vergangenheit, die sich hinter dem Ohr eingenistet hat, dort einen eigenen Raum einnimmt und bis in die Gegenwart hineinwirkt. Mittlerweile lebt die Künstlerin in Wien, wo sie die Akademie der Bildenden Künste besucht hat. Hier entstand eine Arbeit zu einem ähnlichen Thema: in einer offenen Handfläche liegt ein Ohr, der Arm ragt aus dem Fenster in die Welt hinaus. Vor dem Hintergrund eines Wiener Gemeindebaus muss sich das Körperteil mit seinem Umfeld konfrontieren: „Es hat zuzuhören, ob es will oder nicht“, sagt die Künstlerin. Das Geschwätz setzt sich Schicht um Schicht in seinen Kanälen fest. Die Auseinandersetzung mit dem Ohr ist ein work in progress, mit dem sich Anna Anvidalfarei nun gezielter auseinandersetzten will. Wir werden deshalb sicherlich noch von ihr hören.
[Adina Guarnieri]
















































































































































































