Earthly Communities im Kunsthaus Meran
Aktuelle Ausstellung über postkoloniale Realitäten

Globale Verwerfungen, lokale Verantwortung – Kunst Meran präsentiert eine internationale Gruppenausstellung auf den Spuren kolonialer Vergangenheit und indigener Gegenwart. Thematisiert werden aber auch neue Wege des Zusammenlebens.
Mit Earthly Communities widmet sich Kunst Meran vom 22. Juni bis zum 12. Oktober 2025 einem Thema von eindringlicher Aktualität: der künstlerischen Auseinandersetzung mit den fortwirkenden Folgen europäischer Kolonialisierung indigener Gebiete in Abya Yala. Dieser aus der indigenen Kogi-Kultur stammende Begriff bezeichnet den südamerikanischen Subkontinent. Die Ausstellung versammelt fünfzehn international arbeitende Kunstschaffende, darunter Carolina Caycedo, Minia Biabiany, Amanda Piña, Naomi Rincón-Gallardo und das Kollektiv Mazenett Quiroga. Sie eröffnet ein vielschichtiges Panorama kritischer Perspektiven auf Umweltzerstörung, soziale Ungleichheit und kulturelle Entwurzelung.
Kuratiert von Lucrezia Cippitelli und Simone Frangi, schlägt Earthly Communities also eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart: Von Praktiken in der Landwirtschaft über urbanistische Entwicklungen und Instrumentalisierungen bis hin zur Archäologie zeigen die künstlerischen Positionen, wie tiefgreifend koloniale Logiken bis heute in ökologische, politische und soziale Systeme eingreifen. Der Ausstellungstitel nimmt Bezug auf den umstrittenen Kamerunischen Philosophen Achille Mbembe, dessen Vision einer „irdischen Gemeinschaft“ eine Ethik des Miteinanders formuliert – zwischen Menschen, Tieren, Pflanzen, Mineralien und spirituellen Kräften.
Die Arbeiten der Künstler*innen sind vielgestaltig: Video, Installation, Performance, Klang, Textil – Medien, die sich dem westlichen Ordnungsdenken entziehen und stattdessen alternative Wissensformen, Erinnerungskulturen und Weltbeziehungen sichtbar machen. Earthly Communities hinterfragt nicht nur das westliche Verständnis von „Natur“, sondern setzt dekoloniale Praktiken in Szene, in denen indigener Widerstand, gelebte Spiritualität und eine tiefe, oft matrilineare Verbundenheit zur Erde im Zentrum stehen. Die Ausstellung lädt dazu ein, sich in die Denk- und Lebenswelten dieser anderen Kulturen hineinzuversetzen – nicht als ethnologischer Gestus, sondern als kritische Anerkennung ihrer berechtigten Anliegen und ihrer Handlungsmacht.
Zugleich schafft Earthly Communities subtile Bezüge zur alpinen Region. In der Rückbesinnung auf agrarisches Wissen, im Dialog mit der alpinen Landschaft und im Nachdenken über extraktivistische Prozesse – auch im lokalen Kontext – schlägt die Ausstellung eine Verbindung zwischen globalem Unrecht und regionaler Verantwortung. Sie erinnert daran, dass Umweltfragen immer auch Machtfragen sind – und dass künstlerisch soziale und ökologische Gerechtigkeit neue Erzählungen und Gemeinschaften braucht.
Kunst Meran – ein Ort für Gegenwart und Geschichte
Die Ausstellung fügt sich ein in das ambitionierte Jahresprogramm von Kunst Meran, einem international vernetzten Zentrum für zeitgenössische Kunst und Architektur mit Sitz im Herzen der Meraner Altstadt. In einem denkmalgeschützten Gebäude an der Laubengasse widmet sich der gemeinnützige Kunstverein seit über zwei Jahrzehnten der Präsentation, Vermittlung und Produktion zeitgenössischer Kunst. Mit einem besonderen Augenmerk auf marginalisierte Narrative, feministische Perspektiven und Stimmen aus dem Globalen Süden stellt Kunst Meran Fragen an die Gegenwart – und öffnet Räume für deren vielstimmige Beantwortung.
Neben Ausstellungen organisiert Kunst Meran regelmäßig Gespräche, Performances, Workshops, Residenzen und Symposien. Dabei versteht sich der Verein nicht nur als Ort der Rezeption, sondern als Plattform des Austausches und der aktiven kulturellen Mitgestaltung – sowohl im lokalen Kontext wie im internationalen Diskurs.
[H. P.]
















































































































































































