Neues Jahr, neues Programm
Der Januar in, auf und um Südtirols Bühnen

Die Feiertage liegen hinter uns und mit vielen guten Vorsätzen starten wir in das neue Jahr. Einer davon sollte lauten: Mehr ins Theater gehen! Denn die Bühnen des Landes werden wahrlich nicht müde, wenn es darum geht, uns immer wieder mit aufregenden Produktionen zu unterhalten.
Den Anfang macht das Kleinkunsttheater Carambolage in Bozen, wo im Januar die Wiederaufnahme von „Die Deutschlehrerin“ zu sehen ist (ab 08.01.). Regie führt Fabian Kametz, auf der Bühne stehen Eva Kuen und Günther Götsch. Es geht um Mathilda Kaminski, ihres Zeichens Deutschlehrerin, die im Rahmen eines Schulprojektes auf eine alte Bekanntschaft trifft: Den einstigen Shooting-Star unter den Jugendbuchautoren Xaver Sand. Einst waren sie ein Traumpaar, doch seit ihrer Trennung sind sechzehn Jahre vergangen, in denen sich vieles verändert hat. Sie haben sich einiges zu erzählen, allerdings geben sie ihre Erfahrungen nicht immer wahrheitsgetreu wieder. Mathilda begibt sich mit ihrer Fiktion auf gefährliches Terrain – Xaver kontert. Wer hat das bessere Ende? Und was hat das Ganze mit dem mysteriösen Verschwinden eines kleinen Jungen vor fünfzehn Jahren zu tun? War ihr Wiedersehen wirklich Zufall? Ein fesselnder Beziehungskrimi, der bereits im Vorjahr ein Erfolg war. Und am 31. erwartet Sie das allseits berüchtigte Improtheater!
Das Südtiroler Kulturinstitut holt mit „Das Dinner“ ein Gastspiel des Deutschen Theaters Berlin nach Bozen (14.-15.01. Waltherhaus). Was tun, wenn kurz vor dem Karrieresprung der halbwüchsige Sohn mit dem Cousin ein Verbrechen begeht? Zeugen scheint es keine zu geben. Und einen toten Obdachlosen hat man sowieso schnell vergessen. Die zwei Elternpaare treffen sich im Nobelrestaurant und besprechen den Vorfall zwischen Aperitif, Vorspeise und etlichen exquisiten Gängen. Was wie ein entspannter Abend beginnt, artet aber schnell aus. War es kindliche Naivität, jugendliches Ausloten von Grenzen oder ein kaltes Verbrechen? Müssen sie ihre Söhne anzeigen, sie zur Verantwortung ziehen? Oder das Ganze vertuschen, um den Kindern die Zukunft nicht zu ruinieren? Ein Moral-Krimi voller raffinierter Wendungen. Ein Gastspiel des Metropoltheaters München hingegen ist „Post von Karlheinz“ (21.01. Kulturhaus Schlanders, 22.01. Stadttheater Meran, 23.01. Stadttheater Sterzing). Hasnain Kazim, geboren 1974 in Oldenburg, ist Sohn indisch-pakistanischer Eltern. Als Journalist schreibt er mit großer Reichweite über heikle Themen und bekommt deshalb wegen seines fremd klingenden Namens wütende Briefe. Doch Kazim klickt die hasserfüllte Post der selbsterklärten „richtigen Deutschen“ nicht einfach weg, sondern antwortet darauf – schlagfertig und ironisch. Damit erobert er sich eine große Fangemeinde und wird zum Bestseller-Autor. Jochen Schölch hat Auszüge aus Hasnain Kazims Buch „Post von Karlheinz“ auf die Bühne gebracht: Wie ein Orchester mit Notenpult und Blockflöten bewaffnet, treten Thorsten Krohn, Thomas Schweiberer, Bijan Zamani und Lucca Züchner zur Sprech-Oper an, in der messerscharfer Humor der Hetze trotzt.
In der Dekadenz in Brixen ist AnnPhie Fritz mit „Shanti Schatzi“ zu Gast (18.01.). Wir leben in aufregenden Zeiten, in stressigen Zeiten, die uns viele Möglichkeiten bieten – zu viele! Da hilft nur einatmen, ausatmen, einatmen. Man kann gegen Schönheitsideale sein und trotzdem ideal schön sein wollen, kann Atheistin sein und sich für den Morgensport eine andere Religion ausborgen. Man kann queer flirten und den Hetero-Typ anmachen. Aber eines ist sicher: Irgendjemand wird dir immer auf die Brüste starren, selbst wenn du als Herbert Prohaska vor die Tür gehst. Aber zum Glück ist das Patriarchat eh passé, oder? „Was für eine grandiose Idee […] Das Publikum spendet nicht enden wollenden Applaus“, schreibt das „Haller Tagblatt“. Und damit kommen wir zu zwei Herren, besser gesagt zu zwei alten weißen Männern, die als „Grantler“ die Bühne bespielen (27.01.). Wolfgang Mayr und Hans Heiss lassen nämlich nichts unkommentiert. Mayr, Ex-Chefredakteur von RAI Südtirol, wirft einen messerscharfen Blick auf Politik und Gesellschaft und trifft stets genau da, wo’s weh tut. Heiss, Historiker und Ex-Landesrat der Grünen, gräbt sich durch Archive und Hintergründe und pflückt dabei jedes Argument auseinander, bis nur noch die nackte Wahrheit übrigbleibt. Und: In jeder Live-Show holen sie einen Gast dazu. Mal jemanden, der mitgrantelt. Mal eine, die widerspricht. Oder einfach einen, der sich fragt, wie er eigentlich hier gelandet ist.
Die Vereinigten Bühnen Bozen präsentieren ab 17. Jänner „Blutbuch“ von Kim de l’Horizon. Die Erzählfigur identifiziert sich weder als Mann noch als Frau. Als die Großmutter an Demenz erkrankt, erinnert sich das Ich an die eigene Kindheit in einem Schweizer Vorort und begibt sich auf die Suche nach seinen Wurzeln. Wie schreibt sich unsere Herkunft in unsere Körper ein? Welche Rolle spielt dabei die Muttersprache und wie kann man sich von ihr befreien? Die Erzählfigur taucht in die Vergangenheit ein, sucht nach der Geschichte der Blutbuche, die so wichtig war in ihrer Kindheit und forscht nach der nicht tradierten weiblichen Blutlinie. Sie schreibt Briefe an ihre Großmutter, bricht das Schweigen und schafft es auf diese Weise, sich im eigenen nonbinären Körper wohl zu fühlen. Kim de l’Horizon ist eine nicht binäre Person, die 2022 für den autofiktionalen Roman „Blutbuch“ mit dem Deutschen sowie dem Schweizer Buchpreis ausgezeichnet wurde. De l’Horizon versteht Schreiben als kollektiven Heilprozess, hinterfragt Geschlechterzuschreibungen und versucht Identität neu zu lesen. Die berührende und vielschichtige Generationenerzählung kommt in Bozen in einer Fassung von Anna Stiepani auf die Bühne. Die Regisseurin wird die Grenzen zwischen Text und Körper mit ihrem Ensemble und unterschiedlichen Erzählformen ausloten und aufbrechen.
Die Heimatbühne Tschengls zeigt im dortigen Kulturhaus die Komödie „Die drei Eisbären“ (ab 03.01.). Die Geschichte spielt in einem abgelegenen Bergwinkel auf dem Tarnellerhof. Dort leben die drei Brüder und Junggesellen Johannes, Matthias und Paul. Im Dorf sind sie als „Eisbären“ bekannt, weil sie überhaupt kein Interesse am weiblichen Geschlecht zeigen. Lediglich die alte Antonia, die schon gar nicht mehr richtig laufen kann, wird als einzige Frau am Hof geduldet. Doch der monotone Alltag der Brüder endet abrupt, als eine unbekannte Frau ihren Säugling vor deren Tür legt und die drei das Kind aufnehmen. Noch turbulenter wird es allerdings, nachdem die drei Eisbären die junge Leni als Ziehmutter auf ihren Hof holen. Plötzlich ist selbst für die hartgesottensten Junggesellen nichts mehr wie es war...
[Adina Guarnieri]

















