In der Skulpturenserie „Polychromos“ befasst sich der Künstler Hubert Kostner aus Kastelruth mit Holzbildhauerei und deren zeitgenössischen Interpretation. Im Jahre 2019 hat Hubert Kostner mit der Bearbeitung von maschinell gefertigten Holzfiguren aus dem Grödner Tal begonnen, die ursprünglich aus dem Geschäft seines Vaters, eines gelernten Bildhauers, in Kastelruth stammen.
Die einstigen Sujets des Nachtwächters, der Narrenfigur, etliche Heilige und andere typische Figuren der industriellen Holzbildhauerei der letzten Jahrzehnte werden der eigenen Oberflächen beraubt und zu einem Quader mit Ecken und Kanten gehobelt. Dabei bleiben Fragmente der einstigen Form übrig (die Skulpturen werden nicht gänzlich zugeschnitten), welche ein unregelmäßiges Geflecht aus Formen und Farben im Quader ergeben. Diese Formen und auch die glatt geschliffenen Oberflächen beinhalten Teile der einstigen Oberfläche, jedoch sind diese nur noch als kleines Ornament und Zeugnis an der neuen Skulptur zu erkennen. Es geht dem Künstler dabei um die Verhältnislehre und um die Plastische Anatomie beim figürlichen Gestalten des menschlichen Körpers. Auch bezieht er sich auf die Grundeigenschaften der Bildhauerei: Schnitzen bedeutet immer schneiden; mit den Mitteln eines Schnittes und den so entstehenden Flächen definiert sich Raum. Den geraden Schnittflächen werden Farben zugeordnet, sie werden mit Holzbuntstiften bemalt. Die Farbe unterteilt den Raum, gibt Maße vor und definiert Verhältnisse. Das einstige Massenprodukt einer kitschigen Ornamentik wird somit zum Unikat der Bildhauerei. Dieser starke Kontrast kann als Kommentar für den gesellschaftlichen Wandel der ästhetischen Vorlieben verstanden werden. Das, was einst war ist noch hier, jedoch verdeckt, und auf dessen Basis kann neue Kunst entstehen.
Die Serie „Polychromos“ von Hubert Kostner beinhaltet insgesamt 100 einzelne Werke. Im Circolo – Kreis für Kunst und Kultur in St. Ulrich - werden 26 davon ausgestellt. In dieser Vielfältigkeit an Größen und Farben greift Hubert Kostner die beliebige Reproduktion der Holzschnitzerei – Produkte auf, welche in verschiedenen Größen und beliebigen Formen in den Geschäften erhältlich sind. Mit leicht ironischem Unterton inszeniert Kostner einen Rahmen, wie er in typischen Holzskulpturenläden vorzufinden ist. Der Titel „Lo scultore“ (dt. der Bildhauer) verweist auf die nostalgischen Werbeschriften, wie sie in Gröden noch vielseitig vorzufinden sind.
Mit innovativem Geist bestreitet Kostner einen Weg der Versöhnung zwischen schwindender Tradition und Antrieb der zeitgenössischen Kunst.
Die abstrakten Skulpturen der Serie „Polychromos“ werden auf individuell gestapelten Betonvollziegeln präsentiert. Die antikonformistische Wahl, diese Skulpturen nicht auf weiße Sockel zu stellen, unterstreicht die eigentliche Sinnhaftigkeit der Skulpturen, welche zwischen Popkultur und Subkultur oszillieren.