Tragédie
Coreografie Olivier Dubois
Tragédie lautet der Titel des Meisterwerkes von Olivier Dubois. Die Kritik bejubelt sein Debüt anlässlich des Festivals von Avignon 2012 und die innewohnende Kraft, welche diese äußerst mutige Aufführung ausstrahlt. Dubois führt das Publikum in eine eigene „Welt“: Er möchte nicht, dass die Zuschauer die Aufführung nur betrachten, er möchte vielmehr, dass sie mit dem Herzen dabei sind. Er inszeniert ein blindes, erschütterndes menschliches Dasein mit 9 Männern und 9 Frauen, die vollkommen nackt den Körper in seiner ursprünglichsten Form darstellen, einen Körper, der von jeglichem geschichtlichen, sozialen, psychologischen Überbau befreit ist. Ausgehend von der Annahme, dass „die alleinige Tatsache, Mensch zu sein, noch lange keine Menschlichkeit garantiert“ (die Tragödie unserer Existenz), schafft Dubois ein Stück, das Bewusstseinsregung und Versuchung des Willens ist. Eine erschütternde Menschheit, Opfer einer tragischen Jagd, „archaisch“ und „beharrlich“, die Dubois zur Aufführung bringt (18 vollkommen entblößte Darsteller auf einer leeren Bühne), beherrscht von einem Repertoire wesentlicher Bewegungen. Es entsteht eine Reihe von Tableaux in Schwarz-Weiß, die auf die Idee der „Straßenwalze“ der Generationen verweist, die sich übereinanderlegen. Wie schon zuvor in Révolution (2009), schafft Dubois ein obsessives, hypnotisches Meisterwerk – die Partitur ist ein stets wiederkehrender Perkussionsrhythmus von François Caffenne. Ein unaufhörliches Kommen und Gehen, Körper, die verschmelzen und entschwinden, hinfallen, aufstehen, angetrieben von einer immerwährenden Bewegung, die am Ende eine „kostbare Transzendenz in der Gemeinschaft“ erkennen lässt. „Singend und tanzend äußert sich der Mensch als Mitglied einer höheren Gemeinsamkeit: Er hat das Gehen und das Sprechen verlernt und ist auf dem Wege, tanzend in die Lüfte emporzufliegen. Aus seinen Gebärden spricht die Verzauberung“. („Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“, Friedrich Nietzsche)
Eine unverhüllte Inszenierung