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Art and Textiles - A selection by Lottozero - Veröffentlicht von Vijion Art Gallery

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Event-Informationen

Ausstellung „Art and Textiles - A selection by Lottozero“

In der gegenwärtigen, absoluten Vielfalt unterschiedlichster Medien mit denen sich zeitgenössische Künstler*innen auseinandersetzen, ragen jene hervor, die sich ausschließlich bzw. zum überwiegenden Teil auf das Medium Textil konzentrieren. Wenn noch Ende des 19. Jahrhunderts eine heftige Ablehnung des Textils in der Kunst voran ging, so folgte das 20. Jahrhundert mit innovative textile Kunstperspektiven. Zunächst waren es textile Werke, die von den Künstlern, in enger Zusammenarbeit mit den Tapisseriehersteller entstanden. Es war dies eine Kombination aus künstlerischer Finesse und hervorragender Handwerkskunst. Bedeutende Künstler wie Henri Matisse, Pablo Picasso, Le Corbusier, Jan Miro und Luise Bourgeois entwarfen Wandteppiche, die zum größten Teil von der französischen Staatsmanufaktur Gobelins Manufactory in Paris, ausgeführt wurden.
In der Jahrhundertwende der Moderne förderten die Wiener Werkstätten, gemeinsam mit ihren Professoren Josef Hoffmann und Kolo Moser, die Textilkunst und im Besonderen die Modeabteilung. Von Anfang an fanden sich die Künstler der Secession mit dem Vorurteil konfrontiert, nur oberflächliche Dekoration und Zierde zu produzieren. Doch weckte die angewandte Kunst der 20er Jahre tiefe Vorstellungen und Empfindungen, widerspiegelt komplexe Ideologien und machte dadurch ihre Überlegenheit geltend. Tapisserie reagiert hier vor allem auf die Implikationen des langwierigen Entstehungsprozesses. Im Anschluss erlebt die Textilkunst im Bauhaus in Weimar und Dessau einen Höhepunkt. Die alten Webtechniken fanden hier kreative Innovation.
Es begann eine Abkehr vom strengen Websystem und das Textile als Medium, Technik, Material oder Idee wurde in die moderne Kunst integriert. Gleichzeitig wurden die Grenzen zwischen Kunst und Gestaltung aufgebrochen und die Hierarchien zwischen Kunst und Kunsthandwerk gelöst. Aus diesem Prozess entstand die Aufwertung des textilen Materials, welches auch nicht mehr als rein weibliche Domäne verstanden wurde. Ein Dispositiv, das über eine Kritik, an der traditionellen weiblichen Rollenzuweisung, der Handarbeit und der dekorative Künste, hinausgeht. „Ich möchte dieses Wort „dekorativ“ nicht mal in den Mund nehmen, denn ich will nicht, dass man es mit meiner Arbeit in Verbindung bringt…. Dieses Wort, so wie ich es verwende und empfinde, bezeichnet die einzige Sünde, die es in der Kunst gibt.“ sagte die Künstlerin Eva Hesse im Gespräch mit Cindy Nemser, 1970.
Einen entscheidenden Schritt in der Textilkunst schaffte der Künstler Lucio Fontana. Mit seinen Durchlöcherungen und Schlitzungen hat er die Hüllen der Kultur ignoriert, um der Malerei einen neuen, metaphysischen Raum zu öffnen. Damit gehört er zu den wichtigsten Bahnbrechern für jenen Umsturz, der sich in den fünfziger Jahren vollzog. Durch die Zerstörung des Leinwandbildes setzte ein Prozess der Grenzüberschreitung ein, mit der sich das textile Material zu verselbständigen begann. Für die Bildende Kunst generell bedeutet diese Transformation einen Paradigmenwechsel, in dem zugleich auch das Ende der „klassischen Moderne“ festgeschrieben steht.
Auf Initiative des französischen Malers Jean Lurcat wurde 1962 die 1. Internationale Biennale der Tapisserie in Lusanne gegründet. Diese Ausstellung, die zunächst an die Tradition des Bildteppichs anknüpfte, entwickelte sich zu einer Tapisseriebiennale, die progressive und experimentelle Werke in ihre Ausstellung aufnahm. Damit etablierte sich die textile Kunst als selbstständige Gattung.
Seit Anfang des 20. Jahrhunderts haben verschiedenste Materialien und Methoden wie die Collage, das Ready-made usw. in der Kunst Eingang gefunden. Dabei haben die 60er Jahre die spezielle Prägung in der Kunst durch weiche Materialien hervorgebracht. Die Abbildung eines sozial definierten Objektes im Textilbild lässt eine intelligente Auseinandersetzung entstehen, zwischen den Spannungspolen flexibler Weichheit des textilen Materials und der exakten Konstruktion der Form.
Cleas Oldenburg, der 1963 mit seinem Soft Typewriter den Begriff Soft Sculpture kreierte, begründete damit eine neue Kunstform. Seine Neuerung, sich mit vergänglichen Materialien zu befassen war ein Ereignis mit weitreichender Wirkung. Die Verwendung dieser weichen, organischen Materialien, wie Textil, Papier, Latex usw., zeigt die Absicht zur Annäherung und Betonung der Lebensprozesse. Weiches ist vergänglich und daher dem Leben näher – vergänglich wie das Leben selbst. Die Materie wurde Bedeutungsträger, war nicht mehr nur Bild- oder Formträger. Am prägnantesten und am nachhaltigsten stehen hierfür die Filzarbeiten von Josef Beuys, in denen seine Botschaft direkt und körperlich spürbar ist.
Eine Künstlerin, die die Textile Kunst revolutioniert hat, ist die polnische Künstlerin Magdalena Abakanowicz. In den 60er Jahren hat sie die verschiedensten Materialien in ihren textilen Werken miteingewebt. Auch hat sie nicht wie ihre Vorgänger nach Vorlagen gearbeitet, sondern webte ohne Muster und damit Annäherungen an einer gestischen Abstraktion erreicht. Ein neuer Weg zu einem veränderten textilen Verständnis ist beschritten und damit war die Einheit aus Geist und Materie möglich. In ihrem Entstehungsprozess führen Einzelelemente aus vielfältigsten Materialien zu einem vernetzten Gefüge, welches die Intensionen und Ideen des Künstlers miteinbezieht. Einen weiteren wichtigen Schritt hat Abakanowicz mit ihren raumgreifenden Arbeiten gemacht, die ausschließlich aus textilen Material bestehen. Diese Loslösung mit der Wand, schafft Körper- und Raumrelationen, die ein Prozess des Vordringens thematisiert. Es sind dies plastische Werke, die Menschenhüllen und Gestalten darstellen. „Das Weiche mit seinem komplizierten Gewebe wurde zu meinem Werkstoff. Ich spüre darin die Nähe dieser Welt, meine Verwandtschaft mit ihr – eine Welt, die ich nicht anders erkennen will als im Berühren, Nachempfinden, Assoziieren mit jenem Teil meiner eigenen Welt, die ich am tiefsten in mir trage.“
Die Öffnung der Bildfläche des Wandteppichs zu skulpturalen Gestaltungen, ließ ein umfassend neues künstlerisches Bewusstsein im Umgang mit dem textilen Material entstehen. Es entwickelten sich neue gestalterische Möglichkeiten die sich durch Ballung, Verknüpfung bzw. Weberei zum emanzipierten, selbstständigen Ausdrucksträger formten. Die künstlerische Entwicklung der Raumeinnahme, gestaltet sich als Prozess, der mit Ritualen und Aktion verbunden ist.
Mit einem solch offenen Kunstbegriff in der Textilkunst, öffnete sich eine neue Weltsicht und Weltgestaltung. Die Möglichkeit der textilen Bilder, Objekten, Rauminszenierungen und Projekten sind charakterisiert vom Aspekt der weichen, beweglichen Verbindungsfähigkeit. Dabei ist die Tapisserie oder das textile Objekt zumal ohne Träger und zeichnet sich gerade durch diese Gerüstlosigkeit. Die ausgeprägte Körperlichkeit der textilen Bildobjekte, fordert ein Betrachten von unterschiedlichen Standorten, um neue Perspektiven zu erschließen.
Seit den siebziger Jahren finden sich textile Materialien als künstlerische Gestaltungelemente in Performance und Aktionen.
Der Bogen in die zeitgenössische Kunstwelt zeigt eine Vielzahl der künstlerischen Äußerungen der Textilkunst, die prägnante und aussagekräftige Erzählstränge bündeln. Textilwerke werden nicht nur als Produkt manueller Arbeit verstanden, sondern auch als kognitivkonzeptuelle Gestaltung. Zu den unzähligen, zeitgenössischen Künstler, die sich mit Textil auseinandersetzen, zählt insbesondere Sheila Hicks, Olaf Nicolai, Yinka Shonibare, Birgit Dieker, sowie auch Rosemarie Trockel, deren Stickbildern einen Paradigmenwechsel im Kunstverständnis der Gesellschaft aufzeigen.
Die kreative Nutzung textiler Formen war zu allen Zeiten wichtiger Bestandteil im Alltag und im Schaffen der Künstler. Durch die Verbindung von Material, Technik und Konzept wurde und werden weiterhin textile Werke geschaffen, die die eigene Relevanz als Kunstwerk durch Aussagekraft, und handwerkliche Qualität bestätigen.

Gerade um diese Ansicht zu unterstützen, werden in der Vijion Art Gallery 10 Künstler, der im Jahre 2016 gegründeten Textilwerkstatt „Lottozero“ in Prato, präsentiert. „Art and Textiles – A selection by Lottozero” ist eine Gruppenausstellung, welche einen Einblick in das Textile Schaffen dieser Kunstwerkstatt bietet, welches ein Zentrum für textile Kunst und Design und generell für Textile Kultur ist. Die Initiatorinnen dieses Projektes, Arianna und Tessa Moroder, haben südtirolerische Wurzeln.
Die Ausstellung möchte die Faszination der vielgestaltigen und vielschichtigen, künstlerischen Möglichkeiten, die das Textil bietet, aufzeigen. Eine Kunstform die ihre Ausdrucksmöglichkeiten in der Skulptur, Fotografie, Keramik, Installation und Malerei manifestiert und in der zeitgenössischen Kunst noch lange nicht ausdiskutiert ist. Die kulturelle Kodierung und Bedeutung der Textilen Kunst verändert und modifiziert sich ständig und findet als Material künstlerischer Produktion und Praxis im Rahmen kulturkritischer Ansätze stets neue Verwendung.
Unter den ausgestellten Künstlern ragen die Werke des Duos Elena Khurtova & Ilse Bourlanges. Die Eine in Frankreich und die Andere in Russland aufgewachsen, haben sie sich nun in Holland niedergelassen. Sie stellen eine Kollektion von „Gestricktem“ aus; Werke die ausschließlich aus Keramik und Porzellan hergestellt sind. Aus Stränge aus manuell hergestellter Keramikmasse haben die Künstlerinnen mit großen Holzstricknadeln einzelne Teile gestrickt. Diese Werke charakterisieren sich durch zum Teil fehlerhafte Verstrickungen, die als Ausdruck der Verletzlichkeit des Menschen interpretiert werden können.
Die „Anti-Flaggen“ und die genähten und gepolsterten Skulpturen der iranischen Künstlerin Farkhondeh Shahroudi, die seit den 1990er Jahren in Berlin lebt, sind hingegen Überlieferungen einer poetischen Erzählung, die von ihrem eigenen Leben und Erleben erzählen. Ihre Künstlerischen Äußerungen implizieren soziale, persönliche, intime und politische Dimensionen.
Auch die Sprache der Fotografie wird durch verschiedene Herangehensweisen und Interpretationen gezeigt: Anna M. Rose (amerikanische Künstlerin mit aktuellem Wohnsitz in Florenz) nützt die Fotografie, um eine Reihe ihrer privaten performativen Aktionen, in verlassenen und unbewohnten Räumen, zu verewigen. Gekleidet mit anthropomorphen Hüllen aus Kunsthaaren erweckt sie eine primordiale und fast monströse Verwundbarkeit. „Under Cover“ der schweizer Künstlerin Virginie Rebetez ist eine Fotoserie, die ein Bestattungsritual in Südafrika dokumentiert. Neben der scheinbaren Objektivität der Aufnahmen, suggerieren die auftretenden Falten der Stoffe und Decken weite, surrealistische Erinnerungen.
Eine Auseinandersetzung mit der Malerei zeigt das Werk des Berliner Künstlers Roland Barth, der seit 2016 mit dem Begriff Screenpainting eine eigene Bildsprache definiert. Für diese eigene persönliche Siebdrucktechnik nützt er Werkzeuge, die auch für den Stoffdruck Verwendung finden.
Robin-Darius Dolatyari-Dolatdoust (französischer Künstler, in Brüssel ansässiger, Performer und Designer) verbindet in seinen Textilbildern einen malerischen Ausdruck mit textiler Materialität. Mit seinem unverwechselbaren grafischen Zeichen bringt er ein dekonstruktives Spiel der Formen eines Picassos in Zusammenhang mit einer geschwungenen Eleganz der Linie von Matisse. Es ist größtenteils die Neigung zur Malerei, die das vielfältige Werk der in Berlin lebenden schweizer Künstlerin Stefanie Kägi zusammenhält. Die Künstlerin verflechtet Materialien und Textilarbeiten in digitalen Bildbearbeitungsprozessen; analoge und digitale Techniken durchdringen sich und finden im Irrtum und in der Unvollkommenheit neue formale Lösungen, die die Grenzen des malerischen Prozesses erweitern.
Zu den internationalen Künstler*innen kommen noch zwei italienische Namen hinzu: Claudia Losi, eine der italienischen Künstlerinnen, die seit den 90er Jahren das Medium Textil in ihre Arbeit integriert hat, und Luca Vanello, von dem eine limitierte Auflage des Projekts „Tired Eyes Dislike the Young“ zu sehen ist.
Diese Künstler*innen haben mit Lottozero eine unterstützende und vertretende Institution gefunden. Lottozero ist ein Ort der Forschung und Kreation: Die strategische Lage innerhalb der Textilen Umgebung von Prato, die Möglichkeit ein eigenes internes Labor mit Textilmaschinen vorzufinden, und die Absicht Designer und Künstler in der Residenz und in der Ausstellungsfläche einzuladen, machen es zu einer einzigartigen Realität in Italien. Ein idealer Ort für alle Künstler, die Materialien, Techniken, Bedeutungen und konzeptionelle Implikationen des Textils für ihr Kunstschaffen vertiefen wollen.
Seit 2016 hat Lottozero in Zusammenarbeit mit Museen und Kulturinstitutionen zahlreiche Ausstellungsprojekte entwickelt, darunter das Tessuto Museum in Prato, das Zentrum für zeitgenössische Kunst Luigi Pecci in Prato, die Villa Romana in Florenz und das Museion in Bozen.
Die Ausstellung Art and Textiles - A selection by Lottozero ist eine erste Zusammenarbeit mit der Vijion Art Gallery in St. Ulrich.
Ausstellende Künstler:
Roland Barth (Berlino 1983. Vive e lavora a Berlino)
Marie Ilse Bourlanges (Parigi 1983. Vive e lavora ad Amsterdam)
Robin-Darius Dolatyari-Dolatdoust (Chambery en Savoie / Francia 1994. Vive e lavora a Bruxelles)
Stefanie Ka?gi (Winterthur / Svizzera 1987. Vive e lavora a Berlino)
Elena Khurtova (Samara / Russia 1982. Vive e lavora ad Amsterdam)
Claudia Losi (Piacenza 1971. Vive e lavora a Piacenza)
Anna M. Rose (Massachusetts / USA. Vive e lavora a Firenze)
Farkhondeh Shahroudi (Teheran 1962. Vive e lavora a Berlino)
Luca Vanello (Trieste 1986. Vive e lavora a Bruxelles)
Virginie Rebetez (Svizzera 1979. Vive e lavora a Losanna)

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Kontakte :

Datum und Uhrzeit des Events :

Es gibt Termine vom 25 Jun 2021 bis 04 Aug 2021

Notizen über die Uhrzeiten :

Lun - Sab 16:00 - 19:00

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Als der Vater jedoch ihre Verzweiflung bemerkte, schickte er das Mädchen zum Vergolder Christian Delago um die Grundlagen der Malerei zu erlernen. Später verließ sie das Grödnertal und besuchte erst die Kunstschule Beato Angelico in Mailand und später zwischen 1941 und 1943 die Akademie in Stuttgart. Aber die Kriegsjahre verhinderten die Fortführung der Ausbildung. der jungen Künstlerin die Möglichkeit genommen, sich weiterzubilden. Obwohl einige Jahre zuvor sie nicht die Kunstschule hatte besuchen dürfen, hat Schmalzl bei der Rückkehr gerade dort eine Lehrstelle für Malerei bekommen, welche sie bis zu ihrer Pension innehatte. Diese Arbeit gab ihr viel Genugtuung. Ihre Schüler erzählen uns, dass sie eine geschätzte Lehrerin war, und dass die Schüler sie gern mochten. Für sie war es interessant, die neuen Techniken zu erlernen, welche Mili Schmalzl in ihrem Atelier beim Ladinia herrichtete. Nicht nur durch die Schule, aber auch durch ihre Präsenz im Vorstand des “Kreis der Kunstschaffenden” bekam sie Impulse für neue Kunst und steuerte selbst ihren Beitrag für andere bei. Im Buch 100 Jahre Kreis für Kunst und Kultur St. Ulrich liest man von einer rebellischen Zeit und von Veränderung. Im Jahre 1953 kam im Verein eine Diskrepanz auf zwischen jenen, welche gerne der Kunst mehr Raum gegeben hätten und jene, welche den Verein gern in eine traditionelle Richtung des Kunsthandwerks weitergeführt hätten. Es ist vermutlich ein euphorischer und dramatischer Moment gewesen, als der gesamte Vorstand den Rücktritt wegen dieser Konflikte ankündigte. Aus diesem Kontext heraus schließen sich manche der ehemaligen Mitglieder, wie auch Mili Schmalzl, zu einem neuen Verein mit innovativen Visionen zusammen, der den Namen „Ruscel“ erhält. Heute betrachten wir die Bilder und Skizzen von Mili Schmalzl und können uns in ihren Linien und Farbspuren verlieren. 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